Bin ich ein Bild?

Review zur Ausstellung ‚Abstract Ilona’ bei Kavi Gupta Berlin

von Robert Grunenberg

Viele waren gekommen, als die Kavi Gupta Gallery Berlin am Freitag die 4 – Artists- Show ‚Abstract Ilona’ eröffnete. Ganz im Sinne des gegenwärtigen Trends, der den Berliner Stadtteil Schöneberg zum neuen Galerien Hotspot der Hauptstadt macht, versammelten sich in der Kluckstraße 31 eine bunte Schar von Künstlern und Kreativen, Sammlern, Kuratoren und natürlichen solchen, die Kunst und das ganze Drumherum lieben. So vielseitig wie das Publikum sich präsentierte, sind auch die Arbeiten der vier Künstler. Zwar verstehen sich alle Künstler primär als Maler, trotzdem sind bei der Schau gänzlich unterschiedliche Umgangsweisen mit dem Medium Malerei zu sehen, die manchmal die Frage aufwerfen, wo genau es sich denn jetzt hier um Malerei handelt.

 Denn gemalt im klassischen Sinn wurde so gut wie gar nicht.  Weder wurde pastose Farbe in expressive Gesten auf die Leinwand gebracht, noch wurde hierbei ein Pinsel verwendet. Nur ein Bild von Strassburger lässt Ansätze dieses traditionellen Malereiverständissen bemerken, die jedoch durch seinen installativen Charakter in den Hintergrund treten. Auf zwei Galerieräumen wird die ganze Bandbreite bildtechnischer Verfahren untersucht, was u.a. Zeichnungen, Drucke und Fotografie mit einschließt.

Schon beim Betreten der Zweiraumgalerie wird sofort deutlich, dass es sich um eine diskursive Gruppenausstellung handelt, die zeitgenössische Perspektiven auf ein traditionelles Medium wirft. Was auf kunsthistorischen Tagungen in der Regel durch hochtheoretische Diskurse – manchmal fernab der Realität –  analyisert und determiniert werden soll, lässt sich bei ‚Abstract Ilona’ durch konkrete Aspekte diskutierten. Deutlich hört man die kuratorische Stimme fragen: Was kann Malerei heute leisten? Welche Bildästhetik kann sie aus sich selbst und besonders in Wechselwirkung zu anderen Medien generieren? Wo und wie ist sie zeitgeistig oder wodurch bestimmt sie diesen sogar?

Im vorderen Galerieraum begegnet man einer 9-teiligen Grafikserie von Aribert von Ostrowski, die sich aufgrund ihrer seriellen Form erst einmal konzeptionell darstellt, beim genauen Hinsehen aber gestisch, und beim längeren Verweilen sogar emotional wird. Inhaltlich und formal passt dies
auch zu den zwei Arbeiten von Henning Strassburger, die an der Kante zwischen unterschiedlichen Medien operieren. Neben dem selbsreferenziellen Charakter seiner Bilder, thematisiert Strassburger aber auch die Auflösung medialer Grenzen, indem er eine hybride Rauminstallation aus Bildwerk und Designobjekt schafft, so dass die beiden Ausstellungsräume formal, funktional und inhaltlich in Wechselwirkung treten können.

Auch die großformatigen Bilder von Tim Berresheim reihen sich in diese Gedankenrichtung ein. Auf Eichenholz gedruckte, teils figurative, teils abstrakte Formen, die zuvor am Computer designt worden sind, konzentrieren den Bildraum, überschreiten ihn aber gleichsam bis über den Bildrand hinaus. Ähnlich wie bei den Arbeiten von Ostrowski und Strassburger werden auch bei Berresheim die physikalischen Grenzen des Bildes und dessen Bildwelt befragt. Dies wird aber nicht nur Bildimmanent diskutiert, sondern bei allen auch spezifisch im Ausstellungsraum. So wie Ostrowski den Bildrahmen übermalt, Strassburger die Architektur durchbricht, stoßen die Bilder von Berresheim mit ihrer formalen Dimensionen fast an die Decke und den Boden des Galerieraums.  Zurückhaltender im Format hingegen ist eine Fotoarbeit von Henry Butzer (alias André Butzer). Der C-Print auf Papier bildet einen Mondrian-Katalog und ein Cezanne-Plakat ab, die einerseits kunsthistorische Referenzpunkte anpreisen, diese aber gleichsam von Butzer in Frage gestellt werden, in dem er sie mit befremdlichen und willkürlichen Überschriften wie ‚Todesmondrian’ und ‚Hölderlin’ versieht.

Wie es sich bereits im Titel der Ausstellung andeutet, geht es in der Gruppenschau um die Unvereinbarkeit, aber auch um die Mehrwerte von Gegensätzen. In dem Kunstnamen ‚Abstract Ilona’ drückt sich die Opposition aus figurativer und abstrakter Malerei aus, darüber hinaus aber auch in den wiederholten Fragen nach der eindeutigen Abgrenzung des Mediums Malerei zu anderen künstlerischen Gattungen. Zeitgenössische Malerei, so macht es die Ausstellung deutlich, ist gegenwärtig mehr als zu anderen Zeiten ein hybridartiges Medium, das sich nicht auf klassische Formen, Techniken und Gesten beschränken lässt, sondern vielfältige Strategien offenlegt, die einander befruchten und gleichzeitig hinterfragen. Malerei heute ist also bewusst selbstreferenziell, indem sie auf ihre Verfahren, aber auch auf ihre Grenzen verweist, die sie dann gleichsam überschreitet, um sich selbst als Medium zu erweitern. Nicht zu letzt tut sie dies aber auch, um mit der Zeit und ihren Medien Schritt zu halten, so dass sie sich neuer Wirkungs- und Bedeutungsweisen befähigen kann.

Abstract Ilona: 11. Nov. 2011 – 28. Jan. 2012 bei Kavi Gupta Gallery Berlin
http://kavigupta.com/exhibition/105/iabstractilonai
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